Donnerstag, den 29.April,  18°° Uhr
Ort:

Haus der Architekten, Sitz der Architektenkammer NRW in Düsseldorf

Thema:

Im Rahmen der Vernissage zur Ausstellung

Von Aleppo nach Coucy - Vom Orient zum Okzident

 Referent: Prof. (em.) Dr. -Ing. Cord Meckseper (Universität Hannover)
zum Inhalt:

Prof. Meckseper ging der Frage nach, was dem Bauherrn von Coucy, Baron Enguerrand III., den Anlaß dazu gegeben haben könnte, den mit 54 m höchsten und mit 31 m Durchmesser und bis zu 7 m starken Wänden größten Donjon Frankreichs, ja Europas, zu bauen. Die vergebliche, im Modell dargestellte Belagerung der Engländer 1339 zu Beginn des 100jährigen Krieges zwischen Frankreich und England weist keineswegs auf die Ursachen hin; im Gegenteil, der Bauherr war, über 100 Jahre vor diesem Ereignis, mit einer Enkelin des Königs von England verheiratet und verdankte diesem die Ausweitung seiner Besitzungen. Man kann demgegenüber vermuten, dass Enguerrand III. mit seinem imposanten Donjon Macht und Reichtum seiner Familie vor Augen stellen und damit einem letztlich vergeblichen Anspruch auf die Nachfolge im französischen Königtum Nachdruck verleihen wollte. Eine ebenso nicht militärische, aber auch nicht politische, sondern geistig-literarische Ursache nennt folgende These: Der Bauherr, selbst ein Kreuzfahrer, teilte mit seinen Standesgenossen die Begeisterung für die in Ritterromanen dargestellte Begegnung von Ost und West, so in der Geschichte einer Liebesbeziehung zwischen dem heidnischen Königssohn Floire und der Tochter eines christlichen Sklaven namens Blancheflor. Nach ihrer Trennung sucht Floire seine Geliebte auf abenteuerlichen Wegen, bis er erfährt, dass sie in einem riesigen Turm in Babylon gefangen gehalten wird. Er GIB e.V.t sich als Architekt aus, verschafft sich mit dieser List den Eintritt und flieht mit Blancheflor. War also der Donjon von Coucy eine Wiederspiegelung literarischer Begeisterung und damit geistiger Kräfte?

Der genannte Turm von riesigem Ausmass ist in jedem Fall eine Erinnerung an die Kreuzfahrerburgen im Nahen Osten, mit denen die Bauherren fortsetzten und mit islamisch-byzantinischen Elementen bereicherten.

 

Dr. Hans Altmann

zum Referenten:

Cord Meckseper, geb. 29. 10. 1934 in Bremen. Nach Architekturstudium an der TH Stuttgart an deren Lehrstuhl für Baugeschichte und Bauaufnahme Wissenschaftlicher Assistent, Promotion zum Dr.-Ing. mit einer Arbeit über die hochmittelalterliche Stadtbaugeschichte von Rottweil am Neckar, Habilitation und Universitätsdozent für das Lehrgebiet „Stadtbaugeschichte“. 1973-1974 Professor für Geschichte, Theorie und Kritik der Architektur an der Staatlichen Hochschule für bildende Künste Berlin, 1973-1999 Professor für Bau- und Kunstgeschichte an der Universität Hannover. 1979-1985 Vorbereitung der Niedersächsischen Landesausstellung „Stadt im Wandel. Kunst und Kultur des Bürgertums in Norddeutschland“ (Braunschweig 1985); 1986-1994 Vorsitzender der Koldewey-Gesellschaft – Vereinigung für baugeschichtliche Forschung; 1989-1995 Vizepräsident der Deutschen Burgenvereinigung; seit 1992 Mitglied der Klasse für Geisteswissenschaften der Braunschweigischen Wissenschaftlichen Gesellschaft. Wissenschaftlicher Arbeitsschwerpunkt: Profanbau des Mittelalters.